Mein erstes Mal

Seit 6 Tagen weiß ich, dass heute dieser ganz besondere Abend sein wird. Die ganze Woche bin ich schon total aufgeregt, nervös und feucht an den Händen. Natürlich hab ich mir gewünscht, dass ich DAS endlich erleben darf. Immerhin möchte ich mitreden können. Doch um ehrlich zu sein, "spontan" wäre mir lieber gewesen - ohne den vielen "wie-wird-es-wohl-sein-Gedanken".


Es soll ein ruhiger Tag werden, denke ich beim Frühstück. Ohne Stress, damit ich abends möglichst entspannt diesen großen Weiterentwicklungsschritt tun kann. Bloß ein weiterer Termin ist für den Nachmittag geplant, ich konnte ihn unmöglich verschieben: Lehrvertrag unterschreiben. Wow, das sind ja ZWEI große Schritte heute!


Doch - falsch gedacht! 3 Stunden später bin ich im Spital. Verdacht auf Thrombose! Erst mal: gut, dass ich überhaupt hier bin. Wie schnell ein Auto ins Bankett kommt, muss ich nämlich vorher auf der Hinfahrt noch erfahren. Dank sei der Leitplanke, die stoppte. Mein Vater meint, der Schaden sei nicht groß.


Die Untersuchungen dauern bis halb 2. Die Venen sind ok. Die Beschwerden haben eine andere Ursache. Darüber mach ich mir morgen Sorgen. Ich muss mich beeilen - ansonsten wird das nichts mit dem Lehrvertrag. Wir sind pünktlich. Gottseidank gab es schon Vorgespräche. Wir sind rasch fertig mit dem Papierkram. Wow, jetzt ist es tatsächlich soweit! Lehrstelle gesichert, bereit für die Arbeitswelt!


Nicht mehr lange bis zum Abend. Mir ist heiß. Ich geh duschen, muss mich abkühlen. Dann treffe ich meine Freundinnen. Sie wollen dabei sein heute. Also, nicht in DIESEM einen besonderen Moment! Da muss ich wohl alleine durch. Aber vorher - bevor es soweit ist, möchten sie mich sehen. Sie sind neugierig und wollen da sein für mich, haben bestimmt aufbauende Worte übrig. Vielleicht sogar Tipps?

 

Oh! Der Zeitpunkt ist gekommen - ich muss gehen! "Viel Spaß!" rufen sie mir nach. Unsicherheit überkommt mich. Was, wenn ich etwas falsch mache, mich blamiere? Ich hab null Erfahrung. Herzklopfen, schnelles Atmen, Schweiß. Was würd ich für eine kalte Dusche tun!

 

Die gemütliche Atmosphäre und interessante Gespräche, nette Worte, lassen mein Herz wieder ruhiger schlagen. Übrigens das erste Mal an diesem Tag. Meine Vorfreude ist riesig, ich fühl mich wohl. Wenn ich ehrlich bin, kann ich es gar nicht mehr erwarten! Die nächsten 60 Min. genieße ich.

 

Spannung baut sich auf, ein Knistern liegt in der Luft. Der Raum ist etwas abgedunkelt, Plätze werden gewechselt. Irgendwie geht alles viel schneller, als ich es mir vorgestellt hatte. Keine Zeit zum Nervössein. Plötzlich hör ich meinen Namen - Katharina! Auffordernd, bittend. Ich spüre keine Scheu mehr.

 

Ich betrete die Bühne - als eine von 11 Nominierten für den Ingeborg-Flachmann-Literaturpreis. Das erste Mal öffentlich meine Geschichte lesen. Meine Mädels im Publikum. Ich möchte in diesem Moment nirgendwo anders sein. Und ja, ich komme wieder! Hab ja jetzt Zeit zu schreiben, weil mein Sohn bald arbeiten geht.